Chronische Schmerzen

Chronische Schmerzen sind mit einer Dauer von über sechs Monaten definiert, oder wenn sie regelmäßig wiederkehren, wie beispielsweise bei Migräne. Bei chronischen Schmerzen passt die Stärke oder Dauer oder Qualität der Schmerzempfindung nicht zum Ausmaß einer zugrunde liegenden Verletzung oder Krankheit. Die Schmerzen bleiben also erhalten oder treten auf, ohne dass es eine passende Ursache gibt. Diese Situation ist für Betroffene extrem belastend und führt nicht selten zu einer starken Verschlechterung der Lebensqualität, Rückzug aus dem sozialen Leben, depressiver Verstimmung bis in die Depression, Schlafstörungen usw. Zu den häufigsten chronischen Schmerzarten gehören Rücken-, Kopf-, Nerven– und Tumorschmerzen, sowie rheumatische Schmerzen und Osteoporose-Schmerzen.

Chronische Schmerzen sind deshalb problematisch, weil sie nur schwer zu behandeln und – je nach Dauer – eventuell nicht mehr heilbar sind. Bei langanhaltenden Schmerzen findet eine Neuorganisation von Nervenbahnen statt, die bewirkt, dass der Schmerz stärker gespeichert und auch verstärkt wahrgenommen wird. Man spricht davon, dass sich ein Schmerzgedächtnis ausbildet.

Der Unterschied zwischen akuten und chronischen Schmerzen liegt also darin, dass bei akuten Schmerzen der auslösende Reiz direkt für die Reaktion, den Schmerz, verantwortlich ist, während bei chronischen Schmerzen kein direkter Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung besteht. Hierfür sind Veränderungen im Gehirn verantwortlich.

Wirkung von Cannabis bei Schmerzen

Während bei verschiedenen Arten von chronischen Schmerzen (Tumorschmerzen, Patienten mit Verletzungen des Rückenmarks, neuropathischen Schmerzen) mit Medizinalcannabis bereits nützliche Effekte erzielt wurden, scheint Cannabis oder cannabisbasierte Arzneimittel bei akuten Schmerzen keinen Nutzen zu bringen. Im Gegenteil: Bei akuten Schmerzen wurde in Einzelfällen sogar beobachtet, dass die Schmerzschwelle sinkt, Betroffene als empfindlicher gegenüber schmerzhaften Reizen wurden.

Um das zu verstehen, muss man sich ansehen, wie Cannabis wirkt, wenngleich die genaue Wirkweise bei Schmerzen noch nicht vollständig bekannt ist. Bei einem akuten Schmerz versucht das Gehirn, die Entstehung und Weiterleitung neuer Schmerzreize zu unterdrücken, in dem vom Gehirn in die Gewebe in der Peripherie reichende schmerzhemmende Nervenbahnen aktiviert werden. Cannabinoide sind in der Lage, die Aktivität der schmerzhemmenden Neuronen zu blockieren. Dadurch fällt die körpereigene Schmerzlinderung weg. Aus diesem Grund können Cannabinoide bei akuten Schmerzen das Schmerzempfinden sogar verstärken.

Bei chronischen Schmerzen, ist die körpereigene Antwort auf die Schmerzen gestört, so dass die natürliche Schmerzhemmung versagt. Eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2018, in der 18 Placebo-kontrollierte Studien ausgewertet wurden, kam zu dem Ergebnis, dass Cannabis bzw. Cannabinoide an sich nur einen sehr geringen Einfluss auf die Schmerztoleranz haben und die Schmerzschwelle nur minimal anheben. Damit wirken Cannabinoide nicht wie ein typisches Schmerzmittel. Offenbar verändern Cannabinoide vielmehr das Schmerzempfinden: Der Schmerz ist besser ausblendbar und dadurch erträglicher. Schmerzfrei wird der Patient dadurch aber nicht. Cannabinoide Verändern also das Schmerzempfinden, können Schmerzen aber nicht lindern.

Cannabis in der Schmerztherapie

Um zu verhindern, dass sich bei länger anhaltenden Schmerzen ein Schmerzgedächtnis entwickelt, ist die adäquate und umfangreiche Behandlung von Schmerzen sehr wichtig. Die Schmerzbehandlung sollte sich nach dem Stufenschema der WHO richten. Die Schmerzstärke wird in vier Stufen eingeteilt und die einzusetzenden Medikamente werden von Stufe 1 bis 4 stärker. Begonnen wird bei

 Schmerzen mit Schmerzmitteln, die keine Opioide enthalten, z.B. NSAR (Ibuprofen, Diclofenac, Acetylsalicylsäure u.a.). In Stufe 2 können zusätzlich schwache Opioide eingesetzt werden, in Stufe 3 zusätzlich starke Opioide und in Stufe 4 rückenmarknahe Opioide. Cannabinoide kommen in dem Stufenschema nicht vor. Cannabisbasierte Arzneimittel werden auch in der Regel nicht als einziges Medikament eingesetzt, sondern als Begleitmedikation zu anderen Substanzen.

Quellen:

  • De Vita MJ, Moskal D, Maisto SA, Ansell EB. Association of Cannabinoid Administration With Experimental Pain in Healthy Adults: A Systematic Review and Meta- JAMA Psychiatry. 2018 Nov 1;75(11):1118-1127. doi: 10.1001/jamapsychiatry.2018.2503
  • LMU, 2017, Methadon und Cannabis in der Tumorschmerztherapie